den Umbau der Stadt mit Zuneigung der Bürger gewinnen
©O&O Baukunst
Die Parkstadt Süd ist das größte städtebauliche Projekt Europas in dieser Innenstadtlage. Klare Gebäudeblöcke bilden ein Gefüge von charakteristischen Straßen und Plätzen. Das ist das Prinzip der europäischen Stadt. Es hat sich als das lebenswerteste und lebendigste erwiesen.
Bis zur Fertigstellung der Parkstadt Süd vergehen 20 bis 30 Jahre. In der Bauphase soll die tendenzielle Kluft zwischen den Bewohnern und den Planern über einen kulturellen Ansatz überwunden werden. Unter der Schirmherrschaft eines „Veedels-Baumeisters“ sind künstlerisch-informative Inszenierungen und Installationen zur künftigen Stadt geplant.
©O&O Baukunst
Wie bindet man ein derart riesiges Neubaugebiet, das zunächst ein Fremdkörper ist, in die Stadt ein und wie öffnet man die Herzen der Kölner für dieses Projekt?
Christian Heuchel: Die Menschen brauchen jemanden, der Regeln für die Qualität vorgibt und entscheidet. Deshalb entstand die Idee, den Veedels-Baumeister für dieses Stadtquartier einzuführen, den Stadtbaumeister des Stadtteiles. Er ist der Pate des Projektes, er hat den Durchblick.
In den Farben der regional vorzufindenden Materialien waren früher ganze Stadtsysteme aufgebaut. Wir kennen das noch von gut erhaltenen Stadtbezirken, die aus rötlichem und gelblichem Ziegel erbaut wurden, oder von der „schwarzen Stadt“ Catania, die aus den Basaltsteinen des Vulkans Ätna errichtet wurde.
Die Stadt färbt ab – Die Stadt färbt auf ihre Bewohner ab und das zeigt sich beim Essen, bei der Bewegung, bei der gesamten Haltung. Wiener sind anders als Berliner. Der Stadtraum von Paris fördert Grandezza. August Sander hat die Kölner porträtiert und diesen Typus gibt es heute noch. Das ist die Stadt.
Kirsten Lampert: Mir war klar, dass die Suche nach den Farben Kölns in der Geschichte der Stadt beginnen muss. Sonntagmorgen bin ich nach Köln gereist. Im Römisch-Germanischen Museum hat mich ein Raum besonders beeindruckt. Dort hängen zahlreiche Öllampen, ich war ganz von ihnen umgeben. Für mich war da klar, dass ich über ihre Fundorte und die Erden, aus denen sie gebrannt sind, recherchieren muss.
Die Idee ist, dass man aus den Erden, dem Sand und bestimmten Steinen aus den Abbaugebieten mit einer professionellen Farbfirma Mischungen herstellt, die tatsächlich authentische Farben Kölns sind.
Auf den Farben, die hier zu finden waren, baute sich das ganze Erscheinungsbild der früheren antiken Stadt auf.
Christian Heuchel: Von Dr. Trier, dem Direktor des Römisch-Germanischen Museums, lernten wir, dass Köln quer durch seine Geschichte schamlos alles Vorgefundene wieder verwendete, neu und anders zusammenbaute. Grabsteine als Fundamente von Herrschaftshäusern, Steine von Herrschaftshäusern in Bauten der nächsten Generationen. Die Stadt zerstörte sich und baute sich mit dem historischen Material neu.
Eine Lektion, die heute, in einer Zeit, in der nichts mehr repariert und alles rasch entsorgt wird, wichtiger denn je ist. Denn daraus entsteht Identität, hinter der wir in allen Bereichen her sind.
Wenn wir jetzt mit der Parkstadt Süd das größte Neubauareal der Stadt planen, in dem Tausende Menschen leben werden, ist es für das Gesicht dieses Stadtteils sinnvoll, emotionale Qualität aus den Wurzeln zu ziehen, die überreich vorhanden sind.
Dr. Marcus Trier: Den Alltag des antiken Stadtbildes prägten jedoch das Grau und das Braun steinerner Großbauten, die vor allem aus Grauwacke, Trachyt und Tuff errichtet worden waren.
In der Stadtkultur allgegenwärtig waren Dinge aus Ton: die Produkte der seit augusteischer Zeit in der Stadt ansässigen Töpfereien, in denen Gebrauchsgeschirr für den lokalen Markt wie auch den Export gefertigt wurde, später aber auch Kleinplastiken und Öllämpchen, deren bildlicher Dekor die Facetten menschlichen Lebens widerspiegelt: Alltag, Umwelt, Handel, Religion, Liebe, Luxus und Lifestyle.
Kirsten Lampert: Anhand der authentischen Öllämpchen begann ich mit Farbversuchen im Atelier. Den einzelnen Farbtönen, die da entstanden, gab ich grobe Namen. Schamott, ein rötlicher Ton. Dort zu finden, wo man gebrannte fertige Gegenstände wieder zerschlagen, zermahlen und wieder neu verwendet hat. Kaolin, ein heller Ton, fast rein gelblich-weiß, den man bei den Fundstücken feststellen kann. Ruß, verbranntes Holz, zermahlt und mit Kreide gemischt ergibt eine Palette von Grautönen. Und ein grüner Erdton, der sich in den keramischen Lasuren vieler Objekte finden lässt.
Christian Heuchel: Wenn es um Farben geht, frage den, der sich mit Farben auskennt. Das sind die Künstler. Kirsten Lampert ist eine der besten. Und sie lehrt Farbtechniken an der Kunstakademie Düsseldorf. Die Wirkung der Farbe ist ihr Thema, und wie die Farbe an die Architektur kommt.
Städtebauliche Projekte brauchen klare Signale an die Bürger und die Stadtverwaltung: Wie könnte das aussehen? Mit Kirsten Lampert kam die Frage der Farben auf und mit einem Mal war der Begriff „Die Farben Kölns“ da.
Mit den Farben Kölns lässt sich die Sehnsucht nach der Wiedererkennbarkeit des eigenen Lebensumfeldes ganz wesentlich erfüllen. Sie lindern die Vorbehalte, die immer da sind, wenn neu gebaut wird.
Mit unserem Farbkonzept lässt sich der Faden der Geschichte auf unangestrengte Weise aufgreifen, eine Kontinuität neu gewinnen, die uns heute bei all den rasanten Zeitflüssen wieder Festigkeit zu geben vermag.
Christian Heuchel: Das lebendige Einbeziehen der Bürgerschaft in einen weiterführenden Informationsfluss wird programmatisch für eine neue Dramaturgie des Städtebaus sein. Veränderung soll sinnlich vorgeführt werden. Gebäude, die abzureißen sind, könnten davor eingefärbt werden. Gigantische Farbfelder, die Lust auf das Kommende machen und den tristen Prozess des Abbruchs in ein Fest verwandeln.
Es ist besonders wichtig, den gesamten Prozess zu begleiten, positiv aufzuladen: mit Ausstellungen, Events und künstlerischen Aktionen. Zur Einstimmung könnten die alten Hallen in den Farben Kölns gestrichen werden. Die Farben als Strategie der Vermittlung, zur Andeutung einer Stimmung. Sie sind Mittel für die laufende Kommunikation mit den Bürgern und der Stadtverwaltung.
Kirsten Lampert: Wir werden Hilfskonstruktionen brauchen, um die Wirkungsweise des Farbkonzeptes 1:1 zu simulieren. Die Intensität der Farben muss vor Ort erprobt werden. Ungewöhnliche Wege werden sich finden, um das auf die Beine zu stellen. Für die Farbindustrie ein weites Feld.
An der flachen Oberseite der Öllämpchen befinden sich kleine geprägte Motive: Delfine, Ähren, Gladiatoren, Erotisches. Die an sich gleichen Produkte bekommen dadurch einen individuellen Stempel. Bei den Häusern gilt Ähnliches. Der Eingang ist das Wichtigste. Der Veedel-Baumeister wünscht Vielfalt in der Einheit. Die Teile des großen Ganzen sollen mehr Identität, mehr Ausdruck, mehr Erkennbarkeit besitzen.
Die unterschiedlichen Baumaterialien stehen im Einklang mit dem Farbkonzept. Besonderes Augenmerk liegt auf der Verfeinerung der tektonischen Elemente der Fassade: der Haustür, der Beläge der Entrees, der Fenster und der Metallapplikationen.
Um Stadtgestaltung über einen langen Zeitraum durchzusetzen, braucht es eine Art Veedels-Baumeister. Er hat sein Veedels-Handbuch. Kapitel eins sind „Die Farben Kölns“, es folgen die Kapitel „Die Lichter Kölns“, „Die Textur Kölns“ und „Das Grün des Außenraumes“. Er ist es, der die Verantwortung übernimmt, der Rede und Antwort steht.
Ausstellungen werden erklären, wie das Quartier eingebunden ist in den Stadtraum, in die Geschichte, die Topografie Kölns. Das Gesamtprojekt wird in einzelnen attraktiven und verständlichen Teilstücken präsentiert.
In Köln mischen sich große und kleine Bauten in besonderer Weise. Wie selbstverständlich stehen die unterschiedlichen Bauepochen nebeneinander. Es entsteht das charmante Bild einer geordneten und zugleich ungeordneten Stadt. Die Atmosphären von Großstadt und Veedel gehen spielend ineinander über.
Christian Heuchel
ist Architekt, Städteplaner und Hochschullehrer. Seit 2000 hat er an der Kunstakademie Düsseldorf einen Lehrauftrag für Kunst und Architektur. Er leitet seit 2006 das Büro von O&O Baukunst in Köln und ist seit 2011 geschäftsführender Gesellschafter der Standorte Köln und Wien. Unter seiner Leitung wurde 2014 das Landesarchiv NRW in Duisburg fertiggestellt. Zahlreiche städtebauliche Projekte und Bauten wurden von ihm in den letzten Jahren erfolgreich betreut.
Kirsten Lampert
ist Künstlerin, studierte Malerei an der Kunstakademie Karlsruhe und später an der Kunstakademie Düsseldorf. Dort ist sie seit 1990 als künstlerische Assistentin und seit 1998 als Dozentin für Maltechnik tätig. Sie hat mehrere Preise gewonnen, u. a. den Kunstpreis der Kunststiftung Baden-Württemberg, Stuttgart sowie den Bergischen Kunstpreis, Museum Baden, Solingen Gräfrath.
Redaktion: Christian Heuchel, L.O.
Text: Cora Waschke
Korrektorat: Jeanette Mohr
Gestaltung: Marie Hareiter
© 2019 O&O Baukunst
Dieser Artikel bezieht sich auf folgenden Online Fachvortrag: